Krankenhausreform: Bedarf zählt

ver.di fordert deutliche Korrekturen am Gesetzentwurf
17.04.2024

Die Krankenhausreform muss endlich leisten, was der Gesetzgeber seit Jahren nicht angegangen ist und zur jetzigen existenzgefährdenden Krise vieler Kliniken geführt hat. Der vorliegende Referentenentwurf für ein Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) geht jedoch nicht weit genug, um die vom Bundesgesundheitsminister genannte „Entökonomisierung“ des Systems tatsächlich umzusetzen.

ver.di setzt sich für eine bedarfsgerechte, wohnortnahe, integrierte und am Gemeinwohl orientierte Versorgung für alle Menschen ein. Um diese Ziele zu erreichen, muss der Gesetzentwurf dringend weiterentwickelt werden. Statt neue Vorhaltebudgets weiter an Leistungsmengen zu orientieren, müssen die Personalkosten vollständig und zweckgebunden finanziert werden. Perspektivisch gehören Fallpauschalen abgeschafft. Die Kliniken müssen bei wirtschaftlicher Betriebsführung alle notwendigen Ausgaben von den Krankenkassen finanziert bekommen.

Versorgungsqualität hängt von genug Personal ab

Versorgungsqualität hängt nicht nur von ärztlicher Routine und technischer Ausstattung der Kliniken ab, sondern ganz wesentlich davon, ob die Kliniken genug Personal zu guten Bedingungen einsetzen. Die Qualitätskriterien der Leistungsgruppen sind für die bedarfsgerechte personelle Ausstattung von besonderer Bedeutung. In den Kliniken tragen tagtäglich eine Vielzahl unterschiedlicher Berufsgruppen ihren Teil zu einer hohen Versorgungsqualität bei. Die multiprofessionelle Zusammenarbeit ist wesentliche Voraussetzung. Für die Weiterentwicklung der Qualitätskriterien ist ver.di als die für das Personal im Krankenhaus maßgebliche Gewerkschaft bei der Besetzung des entsprechenden Ausschusses zwingend zu berücksichtigen.

Die Transformation wesentlicher Teile der gesundheitlichen Daseinsvorsorge muss finanziell abgesichert werden. Dabei handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die gemeinsam von Bund und Ländern zu tragen ist. Das heißt, Bundesmittel für den Transformationsfonds sind aus Steuern und nicht GKV-Versichertenbeiträgen zu erbringen. Alle Bürgerinnen und Bürger nutzen die Infrastruktur der Krankenhäuser. Deshalb kann und darf die Finanzierung des Umbaus nicht auf die gesetzlich Krankenversicherten abgeladen werden.

Soforthilfen als Brückenfinanzierung dringend benötigt

Das fortgesetzte, ungesteuerte Kliniksterben muss gestoppt werden. ver.di fordert daher von der Bundesregierung Soforthilfen als Brückenfinanzierung, damit inflationsbedingt in Not geratene Krankenhäuser wirtschaftlich überhaupt in die Lage versetzt werden, die Reform zu erleben. So wird riskiert, dass viele Kliniken oder Fachabteilungen schließen müssen, auch wenn sie für die Versorgung der Bevölkerung notwendig sind.

ver.di begrüßt, dass die im Rahmen des bestehenden Finanzierungssystems vollständige unterjährige Tarifkostenrefinanzierung nicht nur wie bisher für das Pflegepersonal, sondern auch für alle anderen Beschäftigtengruppen vorgesehen ist. Damit wird ein großer Teil des wirtschaftlichen Drucks genommen, Personal, das für die Versorgung dringend gebraucht wird, abzubauen.

Grundsätzlich positiv bewertet ver.di die Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung durch den Ausbau integrierter Einrichtungen im Rahmen der Krankenhausversorgung. Die Zuordnung von Versorgungsleistungen muss sich zuvorderst an einer bedarfsgerechten wohnortnahen Versorgung orientieren, deren Finanzierung muss auch langfristig auskömmlich und von frei von Fehlanreizen sein.

Arbeitsplätze für Personal attraktiver gestalten

Eine Reform, die die Transformation von voraussichtlich 1350 Krankenhäusern mit entsprechend hoher Anzahl von Beschäftigten einleiten soll, muss mit einer Aufwertung der Attraktivität von Standorten und Arbeitsplätzen für das Personal einhergehen. Dies gilt insbesondere für das Zusammenspiel zwischen wohnortnahen beziehungsweise sektorübergreifenden Versorgern, also Kliniken, die sowohl stationäre als auch ambulante Leistungen anbieten, sowie Regelversorgern und hochspezialisierten Kliniken.

ver.di fordert Szenario-Berechnungen, die potenzielle qualitative und quantitative Wirkungseffekte unter Berücksichtigung von Mobilitätsannahmen sicher abschätzen. Bei der geplanten Konzentration von Leistungen kann schließlich nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass das erforderliche Personal der Planung folgt. Dabei ist zu bedenken, dass Krankenhäuser multiprofessionelle Versorgungseinrichtungen sind. Nicht nur die Gruppe der Pflegekräfte, auch weitere Berufsgruppen sind vom Fachkräftemangel betroffen und werden dringend in den Kliniken gebraucht. Prozesse, die eine frühzeitige und umfassende Beteiligung aller betroffenen Beschäftigtengruppen bei Neugestaltung von Krankenhausplanungen mit Auswirkung auf Versorgungsstrukturen vorsehen, sind unabdingbar.

Zukunft der Versorgungslandschaft bleibt offen

Es mangelt darüber hinaus an weiteren durchdachten und begründeten Bedarfs- und Folgeabschätzungen. Die Auswirkungen der reformierten Krankenhausfinanzierung auf die Versorgungslandschaft bleiben völlig offen. Dringend erforderlich ist ein genaues Bild dazu, wohin sich die stationären und ambulanten Versorgungsstrukturen entwickeln sollen und wie sich die Maßnahmen auf Patient*innen auswirken.

ver.di fordert, den anstehenden Gesetzgebungsprozess zur Krankenhausreform maßgeblich auf die Gewährleistung der Versorgungsqualität, flächendeckenden Erreichbarkeit sowie bedarfsgerechten Ausstattung und Refinanzierung der Versorgungsstrukturen zu konzentrieren und dabei die Bedarfe und Interessen der Beschäftigten in den Krankenhäusern umfassend einzubeziehen. Ohne Beteiligung der Beschäftigten in den Krankenhäusern kann keine Reform erfolgreich sein.

 

Kontakt

  • Grit Genster

    Be­reichs­lei­te­rin Ge­sund­heits­we­sen/­Ge­sund­heits­po­li­tik

    030/6956-1810