Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) möchte mit der geplanten Krankenhausreform nach eigenem Bekunden die Ökonomisierung im Gesundheitswesen zurückdrängen. Ihr habt als Konzernbetriebsrat eine Stellungnahme dazu verfasst. Mit welcher Stoßrichtung?
Die Ausrichtung an Markt und Wettbewerb zu beenden und den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen, ist überfällig. Durch die Einführung der Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) wurden die Krankenhäuser einem massiven Preiswettbewerb ausgesetzt. Diese haben mit Personalabbau und Arbeitsverdichtung, Ausgliederungen und der Verlagerung von Tätigkeiten auf schlechter bezahlte Berufsgruppen reagiert. Die fatalen Folgen erleben Beschäftigte und Patient*innen alltäglich. Eine grundlegende Reform ist daher überfällig – und das nicht nur bei der Finanzierung.
Was braucht es noch?
Entscheidend für die Behandlungsqualität ist, ob genug Personal zur Verfügung steht. Dies muss deshalb ein zentrales Qualitätskriterium sein, ebenso wie die Einhaltung von Tarifverträgen. Konkret muss die bedarfsgerechte Personalbemessung in der Krankenhauspflege, die PPR 2.0, schnell und verbindlich umgesetzt werden. Es reicht nicht, wenn die PPR 2.0 die personelle Unterversorgung nur dokumentiert. Wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden, müssen in der Konsequenz die Leistungen reduziert werden. Doch nicht nur die Pflege braucht dringend Entlastung. Das gilt für alle Berufsgruppen.
Schon unter Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn (CDU) wurden die Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen in das sogenannte Pflegebudget ausgegliedert. Welche Folgen hatte das?
Es hat zwar dazu geführt, dass bei der Pflege am Bett nicht mehr so extrem gespart wird. Bei allen anderen Berufsgruppen hat sich der Druck dadurch aber sogar noch erhöht. Das geht nicht. Alle Berufsgruppen brauchen Entlastung. Deshalb muss das Pflegebudget zu einem Personalbudget werden, das Beschäftigung in allen Bereichen bedarfsgerecht finanziert. Ich meine, das DRG-System sollte komplett abgeschafft werden. Das würde tatsächlich eine Entökonomisierung bedeuten.
Das ist aber nicht geplant?
Nein. Es werden künftig lediglich einige Anteile über Vorhaltepauschalen finanziert, der Rest bleibt im DRG-System. Zugleich wird der Wettbewerb zwischen den Kliniken durch die geplante Reform befeuert. Viele Krankenhäuser werden versuchen, ihr Portfolio auszubauen, um die Voraussetzungen für die Zuordnung zu attraktiven Leistungsgruppen zu schaffen. Das in einer Situation, in der ohnehin an allen Ecken und Enden Personal fehlt. Es ist zu befürchten, dass der Druck auf die Beschäftigten kurzfristig noch weiter steigt. Und dass sich der Verdrängungswettbewerb unter den Kliniken noch verschärft.
Wie sollte Asklepios darauf reagieren?
Die Konkurrenz wird sich in Zukunft immer stärker daran entscheiden, ob die benötigten Arbeitskräfte gewonnen und gehalten werden können. Gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung sind also nicht nur für die Beschäftigten wichtig, sondern auch für die Zukunft der Krankenhäuser. Ganz klar ist: Mit einer Strategie der Tarifflucht ist kein Klinikbetreiber zukunftsfähig. Asklepios hat in der Vergangenheit immer wieder Tarifverträge verweigert und ist – wie zum Beispiel im niedersächsischen Seesen 2019/20 – mit harten Bandagen gegen gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte vorgegangen. Die Asklepios-Spitze muss hier dringend eine Kehrtwende vollziehen. Sinnvoll wäre ein Konzerntarifvertrag, der transparente und einheitliche Bedingungen schafft und sich am Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) orientiert.
Interview: Daniel Behruzi