Mit der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) sollen für das Jahr 2021 die festgelegten Pflegepersonaluntergrenzen für die pflegesensitiven Bereiche der Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie, der Neurologie, der neurologischen Frührehabilitation, der neurologischen Schlaganfalleinheit (Stroke-Unit) und der Herzchirurgie weiterentwickelt, der pflegesensitive Bereich Intensivmedizin um die pädiatrische Intensivmedizin ergänzt und darüber hinaus weitere Pflegepersonaluntergrenzen für die pflegesensitiven Bereiche der Inneren Medizin, der Allgemeinen Chirurgie und der Pädiatrie festgelegt werden. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert grundsätzlich den eingeschlagenen Weg der Vorgaben über Pflegepersonaluntergrenzen.
Zwar wird mit dem Verordnungsentwurf grundsätzlich anerkannt, dass verbindliche Personalvorgaben für eine sichere Pflege und Versorgung erforderlich sind. Markt und Wettbewerb richten dies nicht. Die Pflegepersonaluntergrenzen sind jedoch keine Lösung. Die PpUGV enthält kein Verfahren zur Ermittlung des Pflege- und Personalbedarfs. Vielmehr wird mit den Pflegepersonaluntergrenzen nur eine Minimalbesetzung verlangt, die lediglich ausreichen soll, eine patientengefährdende Pflege zu verhindern. Dementsprechend werden die Untergrenzen auf einem Niveau festgelegt, das sich an der Grenze zu den 25 Prozent am schlechtesten besetzten Häusern befindet. ver.di kritisiert die willkürliche Setzung der Pflegepersonaluntergrenzen auf der Basis des Quartils grundsätzlich. Damit wird weiterhin ein massiver Anreiz gesetzt, die Personalbesetzung der besser besetzten Bereiche auf das Maß der Pflegepersonaluntergrenzen herabzusetzen. Untergrenzen werden in der Praxis nicht als absolute „rote Linien“ verstanden, sondern häufig zur Normalität gemacht. Zwar werden mit der Weiterentwicklung zu den bestehenden Pflegepersonaluntergrenzen die weiteren Bereiche der Pädiatrie incl. Intensivmedizin, der Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie ergänzt. Dennoch wird die Pflege im Krankenhaus nicht vollständig von Vorgaben erfasst. Nach wie vor besteht das hohe Risiko der Personalverlagerungen aus Bereichen, die nicht von Pflegepersonaluntergrenzen erfasst sind. Auch den in der Praxis stattfindenden Verlegungen von Patient*innen, um Untergrenzen zu umgehen, wird nicht wirksam begegnet. Hier setzten Pflegepersonaluntergrenzen für ausgewählte Bereiche im Krankenhaus die falschen Anreize.
Statt Untergrenzen für ausgewählte Bereiche einzuführen, die sich an der teils dramatischen Unterbesetzung bei der Pflegepersonalausstattung orientieren, müssen sich Personalmindestvorgaben am tatsächlichen Pflegebedarf bemessen. Würden die Krankenhäuser ausreichend Personal für eine sichere Patient*innenversorgung einsetzen, wäre das Personal bereits am 22. Oktober aufgebraucht. Der ver.di-Belastungscheck ergab den zusätzlichen Bedarf von 80.000 Vollzeitstellen für Pflegekräfte, die notwendig sind, um diese Lücke zu füllen.
Notwendig ist eine durchgreifende und nachhaltige Verbesserung der Personalsituation im Pflegedienst der Krankenhäuser. Dies können Pflegepersonaluntergrenzen auf dem Niveau der unteren Quartilsgrenze nicht bewirken. Erforderlich sind vielmehr Vorgaben, die eine bedarfsgerechte Personalbesetzung sicherstellen können.
ver.di hat gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Deutschen Pflegerat (DPR) mit der PPR 2.0 ein Instrument zur Personalbemessung für die Pflege auf der Grundlage der Pflege-Personalregelung (PPR) entwickelt. In kurzer Frist wurde damit die im Juni 2019 getroffene Vereinbarung der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) umgesetzt. Das Instrument schätzt unterschiedliche Patientengruppen und Leistungsfelder hinsichtlich des Pflegepersonal-bedarfs ein und kann in die digitale Datenverarbeitung des Krankenhauses eingebunden wer-den. Die Bedienung ist einfach, selbsterklärend und bürokratiearm. Die PPR 2.0 orientiert sich an den anerkannten Standards einer qualitativ hochwertigen Patient*innenversorgung und gewährleistet eine hohe Patient*innensicherheit. Die PPR 2.0 geht über die vorhandenen Pflegepersonaluntergrenzen hinaus und ist anders als diese nicht auf ausgewählte, vermeintlich »pflegesensitive« Bereiche beschränkt. Das Instrument ist als Interimslösung kurzfristig für die unmittelbare Patient*innenversorgung auf allen bettenführenden Stationen einsetzbar. Es ist als Ordnungsrahmen, der eine bedarfsgerechte Personalausstattung vorgibt und absichert, schnellstmöglich verbindlich und bundeseinheitlich auf den Weg zu bringen.
In einem zweiten Schritt ist kurzfristig – wie im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) vereinbart – durch den Gesetzgeber der Auftrag zur Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Instruments zur Personalbedarfsermittlung zu erteilen.
Bereichsleiterin Gesundheitswesen/Gesundheitspolitik
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