Personalmangel in der Pflege

    Gesundheitsgefährdende Arbeit

    BKK Gesundheitsatlas 2017 analysiert Gesundheitsberufe
    05.07.2017
    Pressekonferenz des BKK-Dachverbands am 5. Juli 2017 in Berlin
    © ver.di
    Sylvia Bühler (ver.di) bei der Pressekonferenz des BKK-Dachverbands am 5. Juli 2017 in Berlin neben Franz Knieps und Christine Richter (BKK) und Christine Rieffel-Braune (Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel)

    „Keine Pause, keine Gespräche und Besprechungen möglich mit Leitung und Ärzten, Kopfschmerzen, keine Zeit zum Trinken“. Das schreibt eine Pflegekraft in einer Gefährdungsanzeige. Derartige Hilfeschreie sind sowohl in deutschen Krankenhäusern als auch in Pflege- und Altenheimen alltäglich. Sie belegen neben der hohen Arbeitsbelastung vor allem den massiven Personalmangel im Gesundheitswesen. Die Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten hat nun die BKK untersucht. Das Ergebnis: Beschäftigte im Gesundheitswesen sind überdurchschnittlich oft und lange krank, leiden häufiger unter psychischen Erkrankungen als Beschäftigte anderer Berufe, und scheiden früher aus dem Beruf aus. Der BKK Gesundheitsatlas wurde am 05. Juli 2017 in Berlin vorgestellt.

    In Krankenhäusern und in der Altenpflege herrscht ein eklatanter Personalmangel. Bereits im Februar 2013 stellte ver.di fest, dass 162.000 Beschäftigte in deutschen Krankenhäusern fehlen, davon rund 70.000 in der Pflege. Dieser Mangel gefährdet nicht nur die Qualität der Patientenversorgung, sondern auch die Gesundheit der Beschäftigten. Laut der internationalen RN4Cast-Studie ist eine Pflegefachkraft in Deutschland durchschnittlich für 13 Patientinnen und Patienten zuständig, in den Niederlanden sind es sieben. Der ver.di-Nachtdienstcheck ergab, dass in den Nachtschichten auf Normalstationen eine Pflegefachkraft durchschnittlich für 26 Patientinnen und Patienten allein verantwortlich ist. Das führt zu Zeitnot durch Personalmangel und fehlenden Ruhepausen.

    Nicht nur eine Gefahr für die Beschäftigten, sondern auch für die Patient/innen in Krankenhäusern und Bewohner/innen in Pflegeeinrichtungen: So berichten Beschäftigte, dass erforderliche Leistungen weggelassen und Hygienevorschriften, wie z.B. eine hinreichende Handdesinfektion, nicht immer eingehalten werden können. Neben enormen körperlichen Belastungen finden sich die Pflegekräfte so auch im Widerspruch zwischen fachlichen Ansprüchen an die eigene Arbeit und der alltäglichen Realität, die professionelle Ansprüche an eine gute Pflege unterläuft. Burn-Out und andere psychische Erkrankungen oder aber die Flucht aus dem Beruf können die Folgen sein.

     
    Pressekonferenz des BKK-Dachverbands am 5. Juli 2017 in Berlin.
    © Schoelzel/BKK DV
    Pressekonferenz des BKK-Dachverbands am 5. Juli 2017 in Berlin

    Hinzu kommen prekäre Arbeitsverhältnisse, wie Teilzeitbeschäftigung oder Befristungen. Oft ist die Teilzeit nicht selbst gewählt: In Ostdeutschland werden kaum noch Vollzeitstellen für Altenpfleger/innen angeboten und viele Pflegekräfte reduzieren auf Teilzeit, weil sie der großen Belastung des beruflichen Alltags sonst nicht standhalten. Und seit private, gewinnorientierte Pflegekonzerne die Branche für sich entdeckt haben, führt die Tarifflucht der Arbeitgeber zu Niedriglöhnen. Finanzielle Probleme im Alltag und die Sorge um eine armutsfeste Alterssicherung, auch das sind psychische Belastungen, deren Folgen nicht zu unterschätzen sind. Angemessene Einkommen sind also auch im Sinne des Gesundheitsschutzes dringend notwendig, fordert Sylvia Bühler vom ver.di Bundesvorstand in ihrem Gastbeitrag für den aktuellen BKK Gesundheitsatlas.

    Die Arbeitsbedingungen in pflegerischen Berufen gefährden die Gesundheit der Pflegekräfte, so lautet das besorgniserregende Fazit des aktuellen BKK Gesundheitsatlas, für den 2.000 Beschäftigte aus verschiedenen Branchen zum Thema „Gesundheit und Arbeit“ befragt. Bei der Datenanalyse lag ein besonderer Fokus auf den Beschäftigten aus Kranken- und Altenpflege. Laut des BKK Gesundheitsatlas sind Beschäftigte, die in der Pflege arbeiten, signifikant länger krank und leiden häufiger unter psychischen Erkrankungen als der Durchschnitt aller Arbeitnehmer/innen. Rund 24 Tage fallen z.B. Beschäftigte in Pflege- und Altenheimen aufgrund von Krankheit aus, während Beschäftigte aus allen anderen Berufen im Schnitt 16 Tage krank sind. Als Hauptursache für die hohen Fehlzeiten in den Pflegeberufen nennt der Gesundheitsatlas psychische Störungen.

    Um die Arbeitskraft der Pflegenden zu erhalten, empfiehlt der BKK Gesundheitsatlas den Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung. Für ver.di aber greifen alle Präventionsmassnahmen zu kurz, wenn zu wenige Beschäftigte sich um zu viele Patienten/innen kümmern müssen. Daher fordert ver.di verbindliche gesetzliche Vorgaben für die Personalaustattung in Krankenhäusern und Pflegeheimen und eine Erhöhung der Tarifbindung im Gesundheitswesen. Für gesündere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Denn nur Tarifverträge sichern den Beschäftigten einklagbare Ansprüche.

    Maren Skambraks, Berlin

     
    Buchtitel BKK Gesundheitsatlas 2017
    © Schoelzel/BKK DV
    BKK Gesundheitsatlas 2017

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