Die Tarifbewegung für Entlastung an den Unikliniken geht weiter: Am Mittwoch (24. August 2022) verhandelt ver.di in Frankfurt am Main in zweiter Runde über einen Tarifvertrag, der den rund 4.000 nicht-ärztlichen Beschäftigten mehr Personal und Entlastung bringen soll. Vorbild sind die zuletzt bei Vivantes und Charité in Berlin sowie an den sechs nordrhein-westfälischen Universitätskliniken erzielten Vereinbarungen. Anders als dort hat sich der Arbeitgeber in der Main-Metropole rasch auf Verhandlungen über Entlastung eingelassen. Da er dabei bislang aber keine substanziellen Angebote macht, plant ver.di für Donnerstag und Freitag einen zweitägigen Warnstreik. »Wir brauchen dringend auch an der Uniklinik Frankfurt einen Tarifvertrag, der die Belastungen begrenzt und konkret festschreibt, wie viel Personal zur Verfügung stehen muss«, erklärt der ver.di-Verhandlungsführer Georg Schulze. »Die Situation ist dramatisch, deshalb brauchen wir ein schnelles Ergebnis.«
Das will die Gewerkschaft am Donnerstag und Freitag mit einem massiven Warnstreik deutlich machen, bevor am Montag weiterverhandelt wird. »Von der Streikbereitschaft her könnten wir eigentlich die ganze Klinik dicht machen«, berichtet die ver.di-Sekretärin Hilke Sauthof-Schäfer. »Aber klar: Der Notdienst wird selbstverständlich aufrechterhalten.« Die Gewerkschaft hat der Klinikleitung den Entwurf einer Notdienstvereinbarung übermittelt, wonach die Stationsteams frühzeitig mitteilen, wie viele Kolleg*innen sich am Streik beteiligen wollen. Das Management muss dann dafür Sorge tragen, dass die entsprechenden Betten nicht neu belegt oder auch ganze Stationen geschlossen werden. In allen anderen Bereichen soll die übliche Wochenendbesetzung als Notdienst vorgehalten werden.
Für den Gesundheits- und Krankenpfleger Eric Dittrich waren die Streiks in Berlin und Nordrhein-Westfalen ausschlaggebend dafür, dass auch er sich nun für Entlastung engagiert. »Ich habe das intensiv verfolgt. Als es hieß, wir wollen das auch in Frankfurt machen, war ich sofort dabei.« Dass es eine intensive und lange Auseinandersetzung werden könnte, ist dem Pfleger bewusst. »Geschenkt wird uns nichts – das ist klar. Aber wir sind absolut dazu bereit, für Entlastung zu kämpfen.«
Denn in den zehn Jahren, die er nach seiner Ausbildung am Uniklinikum arbeitet, sei es immer schlechter geworden, berichtet Eric Dittrich. Früher hätten sich auf seiner psychiatrischen Postakutstation im Tagdienst in der Regel vier Pflegekräfte um 18 Patient*innen gekümmert. Heute seien es oft nur zwei, davon manchmal lediglich eine examinierte Kraft. Der Arbeitsdruck habe in allen Abteilungen zugenommen – auch außerhalb der Pflege. Martin Baum, der im Patiententransport arbeitet, bestätigt das. Er und seine Kolleg*innen seien von früh bis spät »komplett durchgetaktet«. Es werde länger und eng getaktet operiert und untersucht, so dass auch abends oft noch viele Patient*innen transportiert werden müssten. Als er vor 25 Jahren an der Uniklinik anfing, sei das noch anders gewesen, berichtet Martin Baum.
Wie schon in Berlin und NRW ist es daher auch den ver.di-Aktiven in Frankfurt sehr wichtig, dass sich die verschiedenen Berufsgruppen gemeinsam für Entlastung einsetzen. In der Pflege fordern sie auf allen Stationen einen festen Schlüssel, für wie viele Patient*innen eine Pflegekraft höchstens zuständig sein soll. In Bereichen wie Therapie, Service und Labore sollen zusätzliche Neueinstellungen vereinbart werden, die in einem messbaren Stellenaufwuchs münden. Zudem fordert ver.di die Verbesserung der Ausbildungsqualität, unter anderem durch mindestens 20 Prozent Praxisanleitung während der Einsätze und die Freistellung von Praxisanleiter*innen. Wie andere Beschäftigte sollen auch die Auszubildenden bei Überlastung einen Ausgleich in Form zusätzlicher freier Tage erhalten.
Der Krankenpfleger Eric Dittrich ist überzeugt, dass sich bei besseren Bedingungen auch genug Arbeitskräfte finden lassen. Unter seinen Kolleg*innen sei kaum noch jemand, der oder die zu 100 Prozent arbeite. Viele hätten ihren Beruf wegen der extremen Belastung ganz aufgegeben. »Und das sind nicht nur die Älteren, viele wollen schon nach zwei, drei Jahren im Beruf wieder raus, weil sie sagen, dass sie das unter diesen Bedingungen nicht auf Dauer schaffen.« Auch er selbst habe schon öfter darüber nachgedacht hinzuschmeißen, erzählt Eric Dittrich. Doch er hat sich anders entschieden. Stattdessen kämpft er nun gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen dafür, dass sich für alle etwas ändert – per Tarifvertrag.
Pressemitteilung. Frankfurt, 29. August 2022. Die Verhandlungen für einen Entlastungstarifvertrag an der Universitätsklinik Frankfurt brauchen mehr Zeit. Das haben Gewerkschaft und Klinikleitung nach einer weiteren Runde heute beschlossen. Es wurde ein nächster Termin für Freitag, den 2. September vereinbart.
ver.di Verhandlungsführer Georg Schulze: „Trotz der eindrucksvollen Streiks in der vergangenen Woche legte uns die Arbeitgeberseite heute ein lediglich marginal verbessertes Angebot zur Entlastung vor. Weiterhin sind wir in vielen Bereichen noch weit von einer kurzfristig spürbaren Entlastung entfernt.“
Die Gewerkschaft ver.di wird den Verhandlungsstand am morgigen Dienstag mit den Teamdelegierten der Uniklinik beraten. „Wir suchen weiter eine Lösung am Verhandlungstisch, aber die Beschäftigten haben durch ihre hohe Beteiligung an den Warnstreiks in der vergangenen Woche auch gezeigt, dass sie notfalls auch für einen Entlastungstarifvertrag in den Streik treten werden. Der Vorstand wird daher noch einmal einen großen Schritt auf uns zugehen müssen,“ so Schulze weiter.
veröffentlicht/aktualisiert am 30. August 2022
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