Die PPR 2.0 ist auf den Weg gebracht – endlich! Nach mehr als zehn Jahren Aktionen und Kampf der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft ver.di für mehr Personal und Entlastung im Krankenhaus wird zum 1. Juli 2024 das Instrument für eine bedarfsgerechte Krankenhauspflege eingeführt. Bereits seit 2019 liegt die PPR 2.0 vor, doch der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat es ignoriert. Auf den letzten Metern gab es noch Verzögerungen im Bundesrat, aber nun hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die PPR 2.0 per Verordnung eingeführt. Noch gelten die Personalvorgaben nicht verbindlich. Doch der erste wichtige Schritt ist getan.
Selbst nachdem die Gewerkschaft ver.di, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Deutsche Pflegerat 2019 das Konzept der PPR 2.0 gemeinsam vorgelegt haben, hat es noch fünf Jahre bis zur Einführung gedauert. Aber wir haben es geschafft! Das zeigt: Beharrlichkeit zahlt sich aus. Wir haben nie nachgelassen und immer wieder auf gesetzliche Vorgaben gedrungen. Und das werden wir auch weiterhin tun. Bis die Entlastung auf den Stationen tatsächlich ankommt.
Denn eine bedarfsgerechte Personalausstattung ist eine Grundvoraussetzung für gute Pflege und Versorgung. Und die Bedingung dafür, genug Beschäftigte für diese so wichtige Arbeit zu gewinnen und dauerhaft zu halten. Das gilt für alle Berufsgruppen im Krankenhaus. Wir bleiben dran!
»Dass die PPR 2.0 endlich kommt, ist unser Verdienst. Die Beschäftigten der Krankenhäuser haben das mit ihrer Gewerkschaft ver.di in einem mehr als zehnjährigen Kampf gegen viele Widerstände durchgesetzt. Die großen Streiks für Entlastung, die vielen betrieblichen Aktionen, die unzähligen Gespräche mit politisch Verantwortlichen – all das hat zu diesem Erfolg beigetragen. Wir haben uns Respekt verschafft. So machen wir weiter!«
Die PPR 2.0 ist die Pflegepersonalregelung für Krankenhäuser. Mit ihr lässt sich bestimmen, wie viele Pflegepersonen auf einer Station arbeiten müssen, damit Patient*innen bedarfsgerecht und qualitativ hochwertig versorgt und Beschäftigte entlastet werden.
Dafür werden die Patient*innen einmal am Tag zwei Pflegekategorien mit je vier Leistungsstufen zugeordnet. Diese sind mit Minutenwerten hinterlegt. Hinzu kommen ein Grundwert pro Tag und ein Fallwert bei Neuaufnahme. Aus der Summe der Minutenwerte aller Patient*innen ergibt sich der Pflegebedarf für diese Station an diesem Tag.
Der Pflegebedarf wird in sogenannte Vollzeitäquivalente umgerechnet, also die Zahl der Pflegekräfte, die für eine bedarfsgerechte Versorgung zur Verfügung stehen müssen. Diese Soll-Personalbesetzung wird anschließend mit der tatsächlichen Ist-Personalbesetzung abgeglichen – so kann täglich der Erfüllungsgrad der PPR 2.0 für die jeweilige Station ermittelt werden.
Die PPR 2.0 gilt auf bettenführenden Normalstationen der somatischen Versorgung für Erwachsene sowie auf bettenführenden Normal- und Intensivstationen der somatischen Versorgung für Kinder. Sie gilt für den Tagdienst in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr.
Mit Hilfe der PPR 2.0 wird ermittelt, wie viel Pflegepersonal für eine bestimmte Anzahl Patient*innen zur Verfügung stehen muss. In der Geburtshilfe werden Hebammen wie Pflegefachkräfte gezählt. Mit bis zu 20 Prozent dürfen Pflegehelfer*innen, Medizinische Fachangestellte, Anästhesietechnische Assistent*innen und Notfallsanitäter*innen im Monatsdurchschnitt auf den Erfüllungsgrad der PPR 2.0 angerechnet werden. Auszubildende dürfen im zweiten und dritten Ausbildungsjahr monatlich mit bis zu fünf Prozent angerechnet werden. ver.di kritisiert die vom Bundesrat erweiterten Anrechnungsmöglichkeiten, weil damit Pflegefachpersonen durch Assistenzkräfte ersetzt werden können. Für eine qualitativ hochwertige Versorgung braucht es genug Fachkräfte.
Die Regelungen für den Nachtdienst orientieren sich an der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV). Fallen einzelne Stationen nicht in deren Geltungsbereich, soll eine Pflegefachkraft nachts für maximal 20 Patient*innen zuständig sein. Eine am Bedarf bemessene Personalausstattung im Nachtdienst muss im Rahmen einer pflegewissenschaftlichen Weiterentwicklung ergänzt werden.
Nach Inkrafttreten zum 1. Juli 2024 sind die Krankenhäuser zunächst zur Ermittlung der bedarfsgerechten Personalausstattung verpflichtet. Um die PPR 2.0 vollständig zu erfüllen, muss deutlich mehr Pflegepersonal eingestellt werden. ver.di hat immer wieder verbindliche Übergangsregelungen gefordert, mit denen die tatsächliche Personalsituation stufenweise an die Vorgaben angeglichen wird. Wird die Angleichung nicht wie vorgeschrieben umgesetzt, müssen Sanktionen folgen. Doch für diese sogenannte Konvergenzphase gibt es noch keinen verbindlichen Plan – wir lassen Politik und Arbeitgeber nicht aus der Verantwortung!
Sofern die Vorgaben zur Personalausstattung in den Entlastungs-Tarifverträgen besser sind als die PPR 2.0, gelten diese. Und der große Vorteil in den meisten unserer Tarifverträge: Beschäftigte, die in unterbesetzten Schichten arbeiten müssen, erhalten zusätzliche freie Tage. Das entlastet und erhöht den Druck auf die Klinikleitungen, zusätzliches Personal einzustellen.
Die PPR 2.0 ist ein erster notwendiger und wichtiger Schritt zu einer bedarfsgerechten Versorgung und Entlastung der Pflegenden. In der ersten Phase werden die Krankenhäuser zur Übermittlung der Daten verpflichtet. Damit die Vorgaben tatsächlich wirken, muss gesetzlich festgelegt werden, bis wann die tatsächliche Personalbesetzung an das ermittelte Soll angeglichen wird – und wie Verstöße sanktioniert werden. Erst dann ist die PPR 2.0 verbindlich. Das muss baldmöglichst beschlossen werden. Bis dahin können Belegschaften und ihre betrieblichen Interessensvertretungen die Daten nutzen, um den Druck für mehr Personal zu erhöhen.
Im nächsten Schritt soll die PPR 2.0 durch die Deutsche Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) auf Basis der bisherigen Erkenntnisse wissenschaftlich weiterentwickelt werden. Zudem sollen Vorschläge für Notaufnahmen erarbeitet werden. ver.di begleitet die Weiterentwicklung und drängt darauf, nicht weitere wertvolle Zeit verstreichen zu lassen.
»Es ist gut, dass die Politik jetzt ins Handeln kommt. Wir haben die Überlastung im Krankenhaus zum öffentlichen Thema gemacht, an dem keiner mehr vorbei kommt – auch durch unsere Streiks für Entlastung. Es gibt ein großes Potenzial von Kolleg*innen, die in den Beruf zurückkehren oder ihre Arbeitszeit aufstocken würden – wenn die Arbeitsbedingungen besser sind. Wichtig ist deshalb, dass die Personalvorgaben auch tatsächlich umgesetzt werden. Damit sie nicht unterlaufen werden, braucht es wirksame Sanktionsmechanismen.«
»Dass wir mit der PPR 2.0 nun ein Instrument für eine bedarfsgerechte Personalbemessung haben, ist ein erster wichtiger Schritt. Jetzt sollte in der Praxis damit gearbeitet und die Kolleg*innen müssen in der Anwendung geschult werden. Auf Grundlage der Erfahrungen soll das Instrument wissenschaftlich weiterentwickelt werden, um den Pflegebedarf noch genauer abzubilden. Ich finde es sehr wichtig, dass wir als ver.di dabei intensiv eingebunden sind.«
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Bereichsleiterin Gesundheitswesen/Gesundheitspolitik
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