Mit Fragebögen ausgestattet schwärmten in der Nacht vom 5. auf den 6. März 2015 hunderte Aktive aus, um Pflegekräfte in ihrer Nachtschicht zu befragen. Das Ergebnis der Befragung zeigt eindrücklich, wie gefährlich unterbesetzt die Nachtdienste in deutschen Krankenhäusern sind und wie dringend gehandelt werden muss. Hier stellen wir die Ergebnisse vor.
Wie auch schon beim Personal-Check der Gewerkschaft ver.di im Jahr 2013 handelt es sich beim Nachtdienst-Check um eine politische Aktion. Wir wollten ein Blitzlicht auf eine Situation werfen, die sonst im Dunkeln liegt. Die Ergebnisse und statistischen Zusammenhänge haben wir durchweg auf Signifikanz prüfen lassen.
Fast zwei Drittel (64 Prozent) der befragten Pflegefachkräfte arbeiten nachts vollkommen allein mit sehr vielen Patientinnen und Patienten. Die Beschäftigten beschreiben diese Arbeitssituation als besonders belastend.
Eine Pflegefachkraft ist dann im Durchschnitt für die Versorgung von 26 Patientinnen und Patienten verantwortlich. Auf 14 Prozent der Normalstationen ist eine Pflegefachkraft allein für 30 bis 39 Patientinnen und Patienten zuständig und auf 4 Prozent der Stationen versorgte eine Pflegefachkraft allein 40 und mehr Patientinnen und Patienten.
Differenziert man die Ergebnisse nach Trägerschaft und ohne Einbeziehung der Universitätskliniken ergibt sich folgendes Bild: In freigemeinnützigen und kirchlichen Krankenhäusern arbeiten 77,6 Prozent der Pflegefachkräfte nachts allein und sie versorgen die meisten Patient/innen (27,6).
Dieser Personaleinsatz – eine Person ist allein für die Versorgung von Patientinnen und Patienten zuständig – ist legal, da es für den Einsatz von Pflegefachkräften keine Regelungen oder Vorschriften in Krankenhäusern gibt.Das Krankenhaus-Management entscheidet darüber, wie viele Personen es mit welcher Qualifikation für die Pflege einsetzt. Krankenhäuser können Stationen auch ganz ohne Pflegefachkräfte betreiben. Es ist nicht erforderlich, dass die Pflegeperson eine dreijährige Ausbildung absolviert hat. Maßzahlen für den Personaleinsatz gab es in der Pflege-Personalregelung von 1992. Sie wurden jedoch 1996 außer Kraft gesetzt.
Die privaten Krankenhäuser sind Treiber dieser Entwicklung. Auf 21,1 Prozent aller Normalstationen versorgt eine Pflegefachkraft durchschnittlich 34,5 Patientinnen und Patienten. In öffentlichen Krankenhäusern sind es 15,9 Prozent aller Stationen mit durchschnittlich 35,0 Kranken.
Wo zu wenig Personal eingesetzt ist, können die Pflegefachkräfte nicht alle Aufgaben in der vorhandenen Zeit und erforderlichen Qualität erledigen. Die Beschäftigten müssen entscheiden, welche Leistungen sie ihren Patientinnen und Patienten vorenthalten. Sie sind gezwungen, ihr Berufsethos zu verletzen. »Ich kann oft nicht mehr in den Spiegel schauen,« beschreibt eine Kollegin von einer Internistischen Station ihre innere Situation. Aber auch für die Patientinnen und Patienten hat die Personalknappheit ernste Folgen. In der Literatur wird das als »implizite Rationierung« beschrieben.
Das Phänomen der impliziten Rationierung wurde in mehreren internationalen und nationalen Befragungen von Pflegekräften in Krankenhäusern vor allem für Pflegekräfte aber auch für andere mit der Patientenbehandlung befasste Berufsgruppen konzeptionell entwickelt und durch eine mehrfach erprobte Reihe von Fragen empirisch belegt und quantifiziert. Die dabei eingesetzte Leitfrage lautete: »Welche der folgenden von Ihnen oder anderen Personen zu erbringenden Tätigkeiten wären innerhalb der letzten zwei Wochen nötig gewesen, konnten aber z.B. aus Zeitmangel nicht im erforderlichen Maß durchgeführt werden?« Um Rationierung handelt es sich, weil nach gesundheitlich notwendigen Leistungen gefragt wird, und um implizite Rationierung, weil die Entscheidung, ob eine Leistung erbracht wird oder nicht, von den Beschäftigten individuell getroffen werden muss.
Von den Kolleginnen und Kollegen im Nachtdienst wollten wir wissen, ob sie Tätigkeiten vernachlässigt haben, die für die Versorgung und Pflege der Patientinnen und Patienten nötig gewesen wären. Da wir die Anzahl der Fragen auf ein Minimum beschränken mussten, konnten wir nicht danach fragen, welche Leistungen die Pflegefachkräfte weggelassen haben. Wir haben gefragt: »Wie oft musstest du in deiner letzten Nachtschicht erforderliche Leistungen (!) (Hervorhebung im Fragebogen) bei der Versorgung der Patient/innen weglassen, weil zu wenig Personal da war?«
Aufgrund der gegebenen Personalausstattung sagten 55,4 Prozent der Pflegekräfte, dass sie erforderliche Leistungen bei der Versorgung der Patient/innen »manchmal« oder »oft« weggelassen haben. Weitere 21,4 Prozent ließen Leistungen »selten« weg. Zusammengenommen berichten also 76,8 Prozent der Pflegekräfte von weggelassenen Leistungen. Dass Leistungen »nie« weggelassen wurden, berichten nur 23,2 Prozent von allen Pflegekräften. Wenn Pflegefachkräfte allein arbeiten, ist der Wert schlechter (21,8 Prozent) wenn sie zu zweit sind etwas besser (28,5 Prozent »nie« weggelassene Leistungen).
Nicht überraschend: Der hohe Anteil an nicht erbrachten, aber erforderlichen Leistungen steigt noch einmal mit der Anzahl der Patientinnen und Patienten, die allein von einer Pflegefachkraft zu versorgen sind. D.h. je mehr Patientinnen und Patienten von einer Pflegefachkraft allein zu pflegen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass erforderliche Leistungen »manchmal« oder »oft« weggelassen werden. In unserer Befragung steigt der Anteil von 44,8 Prozent bei bis zu 20 zu versorgenden Patientinnen und Patienten auf 76 Prozent bei über 41 zu versorgenden Patientinnen und Patienten. Derselbe Zusammenhang zeigt sich, wenn zwei Fachkräfte auf einer Normalstation arbeiten. Die Spanne beträgt hier 35,3 bis 56,8 Prozent.
Infolge der unzureichenden Personalausstattung kommt es nicht nur dazu, dass pflegerische Leistungen vorenthalten werden, sondern es kommt immer wieder auch zu gefährlichen Situationen. Die Sicherheit der Patientinnen und Patienten kann laut Aussage der befragten Pflegefachkräfte in solchen Situationen nicht vollumfänglich gewährleistet werden.
Unsere Frage lautete: »Gab es aus deiner Sicht in den letzten vier Wochen (Hervorhebung im Fragebogen) nachts eine gefährliche Situation, für eine/n Patient/in, die bei mehr Personal vermeidbar gewesen wäre?« 60 Prozent der befragten Pflegefachkräfte, die allein auf einer Normalstation arbeiten, bejahten diese Frage nach einer gefährlichen Situation. Je mehr Patient/innen allein zu versorgen waren, desto häufiger wird von Gefährdung berichtet. Auf Stationen mit bis zu 20 Patient/innen sind es 51,4 Prozent, auf Stationen mit 41 und mehr sind es vier Fünftel (78,3 Prozent).
Waren zwei Pflegefachkräfte im Nachtdienst eingesetzt, antworteten 50,9 Prozent mit Ja. Die Spreizung zwischen Normalstationen mit wenigen und vielen Patientinnen und Patienten beträgt hier 49,2 bis 59,5 prozent. Da unsere Frage einen Zeitraum von rückblickend vier Wochen umfasste – wir mussten unsere Fragen knapp halten – wurde nicht erhoben, ob die Befragten in allen Nachtschichten des Vierwochenzeitraums zu zweit gearbeitet haben.
Aus diesen Antworten wird deutlich, warum viele Pflegende davon sprechen, dass die Grenze zu »gefährlicher Pflege« oft schon überschritten sei.
Ruhepausen sind Zeiten der Arbeitsunterbrechung, die der Erholung dienen. Sie haben das Ziel, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Überanstrengung zu schützen und ihre Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten. Entscheidendes Merkmal einer Pause ist, dass die Arbeitnehmerin in dieser Zeit von jeder Arbeitsleistung freigestellt ist und über die Nutzung dieser Zeit frei entscheiden kann. In der Realität eines Krankenhaus-Nachtdiensts wird entweder gar keine Pause oder es wird auf eine Art Einspringens in Wartestellung umgeschaltet, anstatt Pause zu machen.
Das Arbeitszeitgesetz schreibt bei einer Arbeitszeit zwischen sechs und neun Stunden eine Ruhepause von mindestens 30 Minuten vor, bei mehr als neun Stunden von mindestens 45 Minuten. Dabei kann eine Unterteilung in mehrere Abschnitte erfolgen; diese müssen aber jeweils mindestens 15 Minuten betragen. Länger als 6 Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.
Wir wollten nun von den Beschäftigten wissen, ob sie während ihrer letzten Nachtschicht eine ungestörte Pause gemacht haben. Die Ergebnisse sind alarmierend. Fast drei Viertel (70,6 Prozent) der Befragten verneinten die Frage.
Ist die Pflegefachkraft zudem allein auf einer Normalstation, steigt der Anteil derjenigen, die keine ungestörte Pause machen konnten auf 77,9 Prozent. Die Möglichkeit, Pause zu machen hängt zudem stark von der Zahl der zu versorgenden Patientinnen und Patienten ab. Betreut eine Pflegefachkraft bis zu 20 Patientinnen und Patienten, geben 71,9 Prozent der Pflegefachkräfte an, keine ungestörte Pause gemacht zu haben. Steigt die Zahl auf 31 bis 40 Patientinnen und Patienten, arbeiten 85,8 Prozent der Pflegefachkräfte ohne Pause durch. Werden 41 und mehr Patientinnen und Patienten von einer Pflegefachkraft allein versorgt, berichten 91,3 Prozent der Pflegefachkräfte, keine ungestörte Pause gemacht zu haben.
Besser sieht es aus – aber nicht gut – wenn zwei Pflegefachkräfte im Dienst sind. Dann fehlt die ungestörte Pause bei 66,4 Prozent der Beschäftigten. Auch hier gibt es einen klaren Zusammenhang mit der Anzahl der zu versorgenden Patientinnen und Patienten. Von 59,6 bis 74,1 Prozent reicht hier die Spanne der fehlenden Pausen.
Für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ist der Arbeitgeber verantwortlich. Fehlende Pausen gefährden die Gesundheit der Arbeitnehmer/innen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen müssen von den Arbeitgebern nicht nur gewährt werden, sondern die Arbeitgeber müssen auch dafür Sorge tragen, dass sie tatsächlich genommen werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil bestärkt (EuGH C-484/04.09.2006).
Verlässliche Dienstpläne und die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu sichern, ist eine der Kernaufgaben von betrieblichen Interessenvertretungen in Krankenhäusern. Die Interessenvertretungen verwenden viel Energie darauf und die Auseinandersetzung birgt hohen Konfliktstoff. Oft schalten Betriebs- und Personalräte die Einigungsstelle oder sogar die Arbeits- und Verwaltungsgerichte ein, um Grenzen zu ziehen und ihre Arbeitgeber in die Verantwortung zurückzuholen. Doch trotz ihrer starken rechtlichen Stellung können die betrieblichen Interessenvertretungen die massenhafte Verletzung des Arbeitszeitgesetzes und des Gesundheitsschutzes meist nur eindämmen, nicht verhindern.
Wir wollten wissen, ob sich die schwächere Stellung der kirchlichen Mitarbeitervertretungen bei der Pausenproblematik auswirkt. In kirchlichen Krankenhäusern ist der Personaleinsatz genauso knapp oder knapper als anderswo und die Beschäftigten stehen ebenso unter Druck. Sind bei den Pausen Unterschiede festzustellen? Kirchliche Mitarbeitervertretungen können keine Einigungsstelle und auch kein staatliches Gericht anrufen. Es bleibt ihnen nur der Weg zu den Kirchengerichten, deren Beschlüsse jedoch nicht durchgesetzt werden können. Missachtet ein kirchlicher Arbeitgeber den Beschluss eines Kirchengerichts, bleibt das ohne Sanktionen und Folgen.
Wir fanden tatsächlich einen signifikanten Zusammenhang: In kirchlichen Einrichtungen wird das Arbeitszeitgesetz noch deutlich häufiger verletzt. Auf 86,9 Prozent der Stationen sagen die Beschäftigten, dass sie nachts keine Pause machen konnten. Damit liegen sie mehr als 10 Prozentpunkte schlechter als die Beschäftigten in privaten oder öffentlichen Krankenhäusern.
Gesicherte arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse besagen, dass Beschäftigte, die keine kurzen »Verschnaufzeiten« in ihren Arbeitsalltag einbauen können, deutlich häufiger von körperlichen und seelischen Beschwerden betroffen sind, als vergleichbare Beschäftigte, deren Arbeit durch mehrere kurze Pausen unterbrochen wird. Das Ausmaß an Schmerzen in verschiedenen Körperteilen ist höher, aber auch Herz-Kreislauf-Probleme sowie Nervosität, Erschöpfung und Schlafstörung treten häufiger auf.
Wir haben die Situation der Beschäftigten näher betrachtet, denen die ungestörte Pause fehlte. Wie antworten sie auf die Frage nach der Hände-Desinfektion und was berichten Sie über gefährliche Situationen für ihre Patientinnen und Patienten?
Unsere Auswertung zeigt klare Zusammenhänge zwischen der Möglichkeit, ungestörte Pause zu machen und gefährlichen Situationen: Von den Pflegekräften, die allein arbeiten und keine Pause machen konnten, sagen 67,3 Prozent, dass es eine gefährliche Situation für die Patientinnen und Patienten gegeben hat. Von den allein Arbeitenden, die eine Pause hatten, sagen das nur 39,9 Prozent. Waren allein mehr als 40 Patientinnen ohne Pause zu versorgen, klettert der Wert für gefährliche Situationen auf 75 Prozent. Fehlt zwar die Pause, ist aber eine zweite Fachkraft auf der Normalstation, wird von weniger gefährlichen Situationen berichtet (59,6 Prozent).
Auch bei der Desinfektion der Hände zeigt sich ein vergleichbarer Zusammenhang. Pflegefachkräfte, die allein in der Nacht und ohne Pause waren, stimmten zu 33,4 Prozent der Aussage »eher zu« oder »voll zu«, dass die Hände-Desinfektion vernachlässigt wird. Unter denen, die Pause machen konnten, sagen das nur 16,2 Prozent. Je mehr Patientinnen und Patienten die Betroffenen zu versorgen hatten, desto größer die Probleme bei der Hände-Desinfektion. Unter denen, die 41 Patientinnen und Patienten und mehr allein ohne Pause versorgen mussten, weisen 39,5 Prozent der Antworten auf mangelnde Hände-Desinfektion hin. Hingegen sagen von Pflegefachkräften, die allein die Verantwortung für bis zu 20 Patientinnen und Patienten trugen und Pause machen konnten, nur 8,9 Prozent, dass sie Probleme bei der Händedesinfektion sehen.
Pflegefachkräfte, die zu zweit eingesetzt waren und denen die Pause fehlte, stimmten zu 24,9 Prozent der Aussage »eher zu« oder »voll zu«, dass die Händedesinfektion vernachlässigt wird.
Es liegt nach unserer Einschätzung eine Assoziation vor: zwei Phänomene treten gleichzeitig auf, sie hängen über einen dritten Faktor zusammen: die gefährliche Situation und die fehlende Pause sind Ausdruck von zu hoher Arbeitsverdichtung und Überlastung. Dasselbe gilt für die Desinfektion der Hände. Wie unsere Ergebnisse zeigen, hängen fehlende Pausen und Patientengefährdung eng zusammen. Fehlende Pausen sind ein verlässliches Alarmzeichen für Patientinnen, Patienten und ihre Angehörigen: Vorsicht, hier ist nachts mit ernsten Versorgungsproblemen zu rechnen!
Während des Nachtdienst-Checks befragten wir Beschäftigte auf insgesamt 563 Intensiv- (ITS) und Intermediate Care Stationen (IMC) auf denen 7.162 Patientinnen und Patienten versorgt wurden. 151 Stationen lagen in Universitätskliniken, 301 in öffentlichen Krankenhäusern (ohne Universitätskliniken), 93 in privaten und 18 in freigemeinnützigen und kirchlichen Krankenhäusern. Intermediate Care Stationen sind das Bindeglied zwischen Intensivstation und Normalstation für Patientinnen und Patienten mit hohem Überwachungs- und Versorgungsaufwand.
Die durchschnittliche Stationsgröße der Intensivstationen lag bei 11,7 Patientinnen und Patienten. Universitätskliniken haben größere Intensivstationen (13,3 Patientinnen und Patienten). Öffentliche, freigemeinnützige und private Krankenhäuser unterscheiden sich bei der Größe der Intensivstationen und auch beim Personaleinsatz kaum. Im Bundesdurchschnitt betreute eine Pflegefachkraft 2,9 Patientinnen und Patienten. In öffentlichen Krankenhäusern waren es 3,0, in freigemeinnützigen und kirchlichen 3,2 und in privaten 3,0.
Anders sieht es bei den Intermediate Care Stationen aus. Hier unterscheiden sich sowohl die Stationsgrößen als auch der Fachkräfteeinsatz deutlich nach der Trägerschaft. Wir fanden eine durchschnittliche Stationsgröße von 16,6 Patientinnen und Patienten. Während öffentliche Krankenhäuser mit 13,9 unter dem Durchschnitt liegen, haben die privaten Krankenhäuser ihre IMC stark vergrößert (21,3). Eine Pflegefachkraft betreute im Durchschnitt der Nachtdienst-Check Krankenhäuser auf einer IMC-Station 6,3 Patientinnen und Patienten; bei öffentlichen Krankenhäusern waren es 6,1, bei privaten 6,7. Für die IMC-Stationen der freigemeinnützigen und kirchlichen Krankenhäuser treffen wir keine Aussagen, weil wir zu wenige Stationen im Nachtdienst-Check erreicht haben.
Eine ausreichende personelle Ausstattung einer Intensivstation mit Pflegepersonal ist nach den Aussagen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) notwendig für eine gute Versorgungsqualität und sie ist entscheidend für den Behandlungserfolg, die Patientensicherheit und letztlich die Einsparung von Kosten durch die Reduktion von Komplikationen.
Ausreichend bedeutet in diesem Zusammenhang ein Verhältnis von 1:2, d.h. eine Pflegefachkraft für zwei Behandlungsplätze pro Schicht. Ein Verhältnis von 1:1 kann bei Patienten mit »speziellen oder besonders schweren Erkrankungen« erforderlich sein. Dazu zählen bspw. schwer verbrannte Patientinnen oder Patienten mit extrakorporalen Organersatzverfahren. Auch die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste fordert in ihrem DGF-Fachkrankenpflegestandard in den Bereichen Anästhesie-, OP- und Intensivpflege bei »kritisch erkrankten Patienten« eine Pflegefachkraft/Patienten-Quote von 1:1.
Bei »weniger kritisch Kranken«, d.h. in so genannten Überwachungs- oder IMC-Einheiten unterscheiden sich die Forderungen und Empfehlungen zwischen den Fachgesellschaften erheblich. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) schreibt: »Für den IMC-Bereich gilt üblicherweise ein Pflegeschlüssel von 1:4 bis 1:6, d.h. eine Fachkraft versorgt 4 bis 6 Patientinnen und Patienten pro Schicht.« Die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste (DGF) fordert hingegen in ihrer Stellungnahme »Intermediate Care (IMC)« einen Personalschlüssel von 1:3 (Pflegefachkraft : Patient).
Der Fachstandard wird nur auf 10,7 Prozent der Intensivstationen eingehalten, d.h. eine Intensivpflege-Pflegefachkraft betreut maximal 2 Patient/innen. Auf 89,3 Prozent wird er missachtet. Auf 37,4 Prozent der Stationen hat eine Pflegefachkraft drei und mehr Patientinnen und Patienten zu betreuen, auf 3,1 Prozent sogar vier und mehr Patienten.
Auf Intermediate Care Stationen fanden wir im Nachtdienst-Check eine durchschnittliche Personalbesetzung von 1:6,3. Der der oberste Fachstandard von 1:3 der DGF und 1:4 der DGAI wurde in keiner Station erreicht. 64,9 % der IMC-Stationen hatten eine Personalstärke im Bereich von 1:4,5 bis 1:6. Mehr als sechs Patient/innen zu überwachen wird von keiner Fachgesellschaft als ausreichend betrachtet. Im Nachtdienst-Check waren die Patient/innen auf 35,1 Prozent der IMC-Stationen von zu wenig Personal überwacht.
Werden die von uns gefundenen Werte und die diversen Fachstandards verglichen, so zeigt sich, die Situation der Unterbesetzung deutlich. Sowohl der Fachstandard für die ITS als auch die Fachstandards für die IMC werden deutlich unterschritten.
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