Im ganzen Land für die PPR 2.0

Von Konstanz bis Schwerin protestieren Klinikbeschäftigte mit Foto-Aktionen für die sofortige Einführung einer bedarfsgerechten Personalbemessung in der Krankenhauspflege.
13.04.2021


»Uns reicht´s, Herr Spahn!« So hieß es am Montag (12. April 2021) vor Krankenhäusern im ganzen Land. Während im Bundestag die Anhörung zum »Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung« lief, protestierten Klinikbeschäftigte von Konstanz bis Schwerin für die sofortige Einführung der PPR 2.0. Obwohl das von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem Deutschen Pflegerat und ver.di entwickelte Instrument für eine bedarfsgerechte Personalbemessung in der Krankenhauspflege schon seit über einem Jahr auf dem Tisch des Bundesgesundheitsministers liegt, will Jens Spahn (CDU) es immer noch nicht auf den Weg bringen. Die Beschäftigten nehmen das nicht hin und machten dies durch ihre Teilnahme an einer Foto-Aktion sichtbar.

 


»Ich bin stinksauer, dass Spahn die PPR 2.0 auch jetzt nicht einführen will«, sagte der Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege, Veith Stahlheber. Gemeinsam mit seinen Kolleg*innen hielt er vor dem Gebäude der Mainzer Universitätsmedizin Schilder mit dem Schriftzug #PFLEGEAUFSTAND in die Höhe. Unter diesem Motto stellen Pflegekräfte in Rheinland-Pfalz immer wieder Proteste auf die Beine, wie zuletzt am Internationalen Frauentag. Die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern müssten sich dringend verbessern, betonte Stahlheber. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung – wie die in einigen Bereichen geltenden Pflegepersonaluntergrenzen – reichten dazu bei Weitem nicht aus.

 
Universitätsmedizin Mainz

»Erst letzte Woche haben mir zwei Kolleginnen gesagt, dass sie ihren Beruf aufgeben, wenn sich nicht bald etwas ändert«, berichtete er. »Corona ist für viele ein Katalysator, auch was die Entscheidung über die eigene berufliche Perspektive betrifft.« Der Fachkrankenpfleger befürchtet, dass noch mehr Kolleg*innen ihre Arbeitszeit reduzieren oder ganz aus ihrem Beruf ausscheiden könnten, »weil die Belastungen einfach nicht mehr tragbar sind«. Die bundesweiten Aktionen sieht er als Zeichen, dass sich die beruflich Pflegenden nicht mit der Situation abfinden wollen. »Wir haben verstanden, worum es geht. Wir solidarisieren uns untereinander und handeln.«

 

»Verbesserungen müssen wir selbst erkämpfen«

Auch für Dana Lützkendorf von der Berliner Charité ist klar, dass sich nur dann etwas zum Positiven verändert, wenn sich die Beschäftigten selbst dafür einsetzen. »Meine Erkenntnis aus der Pandemie ist, dass wir die Dinge selbst in die Hand nehmen und Verbesserungen erkämpfen müssen – das macht niemand für uns«, sagte die Intensivpflegerin bei einer gemeinsamen Aktion von Charité- und Vivantes-Kolleg*innen. Zusammen fordern sie nicht nur die politisch Verantwortlichen dazu auf, endlich bedarfsgerechte Personalvorgaben zu beschließen. Zugleich wollen sich die Beschäftigten der beiden großen öffentlichen Klinikbetreiber der Hauptstadt auch auf den Weg machen, wirksame tarifliche Regelungen zur Entlastung und eine Bezahlung aller Beschäftigter nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) einzufordern. Um Unterstützung für diese Forderungen zu mobilisieren, laden die Aktiven der »Berliner Krankenhausbewegung« für den 21. April 2021 zu einer Stadtversammlung ein.

 
Charité und Vivantes Berlin

Schon vor der Pandemie hätten Pflegepersonen vielfach über ihre Belastungsgrenze hinaus gearbeitet, kritisierte Lützkendorf. Um dem einen Riegel vorzuschieben, müsse die Regierung noch vor der Bundestagswahl die PPR 2.0 auf den Weg bringen. »Die Beschäftigten der Krankenhäuser brauchen jetzt das klare Signal, dass sich etwas verbessert«, erklärte die Vorsitzende des ver.di-Bundesfachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen. »Damit sie motiviert in ihren Berufen weiterarbeiten können und wir neue Kolleginnen und Kollegen gewinnen.«

 

»Wir brauchen bedarfsgerechte Personalstandards, um eine gute Versorgung und gute Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.«

Uwe Richtmann, Personalratsvorsitzender

Das meint auch Martina Löschinger, stellvertretende Personalratsvorsitzende der Donau-Ries Kliniken, die sich im bayerischen Donauwörth an der Foto-Aktion beteiligte. »Die Pflege braucht mehr Zeit, mehr Verlässlichkeit, mehr Anerkennung, mehr Personal«, forderte sie. Wegen der Überlastung gingen die Grundlage für die Pflege – Menschlichkeit und Warmherzigkeit – zunehmend verloren. Die Gesundheitsminister müssten gegen diese Entwicklung einschreiten.

PPR 2.0 als Notbremse

»Jetzt reicht´s«, hieß es auch an der Uniklinik Frankfurt, wo Beschäftigte den Bundesgesundheitsminister lautstark an seine Versprechen erinnerten. »Statt besser ist es nur noch schlimmer geworden«, bilanzierte der Personalratsvorsitzende und ver.di-Aktivist Uwe Richtmann die Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre. Die Corona-Pandemie habe die Mängel in der Krankenversorgung für alle sichtbar gemacht. »Die sofortige Einführung der PPR 2.0 ist eine Notbremse gegen die Folgen eines falsch angelegten Finanzierungssystems«, so Richtmann. »Wir brauchen bedarfsgerechte Personalstandards, um eine gute Versorgung und gute Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.«

 
Uniklinik Frankfurt

Die Bereitschaft der Klinikbelegschaften, sich für mehr Personal einzusetzen, ist offenbar weiterhin hoch. »Man braucht gar nicht viel zu erklären, die Leute sind ganz schnell bereit mitzumachen«, berichtete die ver.di-Sekretärin Marion Schäfer aus dem mittleren Ruhrgebiet, wo sich fünf Krankenhäuser an der Foto-Aktion beteiligten. Mit dem Evangelischen Krankenhaus Herne und den Augusta Kliniken Bochum machten auch kirchliche Belegschaften mit – unterstützt von ihren Arbeitgebern. »Diese Träger finden es gut, dass ver.di für die PPR 2.0 mobil macht. Schließlich hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft das Instrument zur Personalbemessung auch mit entwickelt«, erläuterte die Gewerkschafterin. Unterstützt wurden die Aktionen auch vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac und vom Pflegebündnis Recklinghausen. In den Medien seien die Proteste ebenfalls auf breite Resonanz gestoßen. »Das macht Mut und zeigt: Jetzt ist der Moment, um etwas zu bewegen – deshalb machen wir weiter.«

 

 

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