Jetzt geht es richtig los: Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern hat sich konstituiert. Die Mitglieder haben ein Präsidium gewählt, in dem ver.di gut vertreten ist. »Das ist ein wichtiger Schritt, um der Pflege in Bayern ein gemeinsames Sprachrohr zu geben«, erklärt ver.di-Landesfachbereichsleiter Robert Hinke. Neben einzelnen Pflegekräften können sich der Vereinigung – anders als in Pflegekammern – auch Verbände anschließen. »Natürlich ist ver.di als größte Interessenvertretung der beruflich Pflegenden mit dabei«, stellt Hinke klar. Die Vereinigung könne alle in der Pflege aktiven Berufsverbände und Gewerkschaften sowie Bayerns Pflegekräfte zu einer starken Kraft bündeln, um gegenüber der Politik wirksamer aufzutreten. Dementsprechend sind im Präsidium Kolleg*innen aus verschiedenen Bereichen und unterschiedlichen Berufsgruppen vertreten.
»Die Pflege ist ein wunderbarer Beruf. Es wird Zeit, dass er die Wertschätzung erfährt, die er verdient.«
»Ich finde besonders wichtig, dass auch Pflegekräfte mit einer einjährigen Ausbildung Mitglied werden können«, sagt Agnes Kolbeck, die zur Vizepräsidentin der Vereinigung gewählt wurde. Die examinierte Krankenschwester betont: »Nur so wird die Realität und die Bandbreite der beruflich Pflegenden in Bayern tatsächlich abgebildet.« Insbesondere in der ambulanten Pflege hätten viele Kolleg*innen eine einjährige Ausbildung. Bei Pflegekammern, die in anderen Bundesländern gebildet wurden, bleiben diese außen vor.
»Es gibt großen Handlungsbedarf, packen wir es an«, appelliert Kolbeck an alle, die in der Vereinigung der Pflegenden in Bayern mitarbeiten. »Es wäre grundfalsch, jetzt endlos weiter über das Für und Wider von Pflegekammern zu diskutieren. Wenn wir uns vor allem damit und mit uns selbst beschäftigen, ändert sich nichts.« Veränderungen seien aber dringend nötig, betont die Gewerkschafterin. Die politisch Verantwortlichen stünden in der Pflicht, die Rahmenbedingungen zu verbessern – unter anderem durch bedarfsgerechte Personalbemessung in allen Bereichen und flächendeckende Tarifbindung in der stationären und ambulanten Pflege.
»Die Pflege ist ein wunderbarer Beruf. Es wird Zeit, dass er die gesellschaftliche Wertschätzung erfährt, die er verdient«, so Kolbeck. Um mehr Menschen für diese gesellschaftlich wichtige Arbeit zu gewinnen, müssten die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich ausgeweitet und Umschulungen attraktiver werden. Die Krankenpflegerin hält es für zentral, die Versorgungsstrukturen insgesamt zu betrachten. »Wir müssen die Krankenhäuser, die stationäre und die ambulante Pflege zusammendenken. Denn wenn man an einem Rädchen dreht, hat das auch auf andere Bereiche Auswirkungen.« Als Beispiel nennt Kolbeck die Verkürzung der Liegezeiten in den Krankenhäusern, die den Druck auf die Kurz- und Langzeitpflege sowie in der Rehabilitation erhöhen.
Ein Thema für die neue Vereinigung wird die Entwicklung einer Weiterbildungs- und Berufsordnung sein. Für Kolbeck ist klar, dass die Arbeitgeber in die Pflicht genommen werden müssen, Pflegekräfte für die nötigen Weiterbildungen freizustellen und diese zu bezahlen. »Das ist für mich selbstverständlich. Wenn die Arbeitgeber wollen, dass die Pflegekräfte bleiben, müssen sie ihnen Entwicklungsmöglichkeiten bieten.«
»Wir zeigen, dass es eine Alternative zur Pflegekammer gibt, bei der Pflegekräfte freiwillig Mitglied sind und keine Beiträge zahlen müssen.«
»Jetzt geht es darum, die Vereinigung der Pflegenden in Bayern mit Leben zu füllen«, erklärt Gewerkschafter Hinke. »Wir zeigen, dass es eine Alternative zur Pflegekammer gibt, bei der Pflegekräfte freiwillig Mitglied sind und keine Beiträge zahlen müssen.« Anders als Pflegekammern wird die Vereinigung im Freistaat nicht durch verpflichtende Mitgliedsbeiträge finanziert, sondern aus Steuermitteln. »Das ist auch angemessen, schließlich ist die Stärkung der Pflege eine gesellschaftliche Aufgabe «, so Hinke mit Verweis auf die massiven Proteste, die die Beitragserhebung der Pflegekammer in Niedersachsen ausgelöst hat.
Positiv am bayerischen Modell sei zudem, dass die Vereinigung keine eigene Berufsgerichtsbarkeit schaffen soll. Pflegekräfte seien zu 95 Prozent in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und dem Disziplinarrecht ihres Arbeitgebers unterworfen. Eine weitere Sanktionsinstanz würde den Druck auf die beruflich Pflegenden nur weiter erhöhen, ist Hinke überzeugt. »Nötig ist das Gegenteil: Pflegekräfte brauchen Entlastung und Aufwertung.«
Landesfachbereichsleiter Bayern
089 / 599 77-360
robert.hinke@verdi.de