Bundesweit machen Beschäftigte der Altenpflege am Buß- und Bettag (22. November 2017) mit örtlichen Aktionen auf ihre schwierige Arbeitssituation aufmerksam. Das zentrale Problem: Es fehlt allerorts an Personal. Der Anlass: Vor 22 Jahren wurde der Buß- und Bettag in allen Bundesländern außer Sachsen als Feiertag abgeschafft, um die Arbeitgeberbeiträge zur Pflegeversicherung zu kompensieren. Trotz dieser Zusatzbelastung ist gute Pflege im Alter für viele Beschäftigte immer noch nicht gesichert.
Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zum 1. Januar 2017 hat die Bundesregierung die Leistungen für pflegebedürftige Menschen verbessert. »Das war gut und richtig. Doch eine bessere Versorgung gibt es nur, wenn genug gut ausgebildete Pflegekräfte da sind«, sagt Dietmar Erdmeier, der bei ver.di für Pflegepolitik zuständig ist. Mehr Leistungen kämen nur dann bei den pflegebedürftigen Menschen an, wenn das dafür nötige Personal zur Verfügung gestellt werde. »Wenn Pflegekräfte ständig Überstunden leisten müssen, aus ihrer Freizeit zum Dienst gerufen werden oder nachts allein im Wohnbereich sind, leidet auch die Versorgungsqualität.«
ver.di plädiert deshalb für die schnellstmögliche Einführung eines verbindlichen und bundesweit einheitlichen Instruments zur Personalbemessung. Da dieses nach den Plänen der Bundesregierung frühestens im Jahr 2020 zur Verfügung stehen soll, fordert die Gewerkschaft ein Sofortprogramm für mehr Personal. Künftig soll eine Pflegekraft in stationären Einrichtungen rechnerisch für nicht mehr als zwei Bewohnerinnen und Bewohner sorgen müssen. Nachts sollten stets mindestens zwei Pflegekräfte im Wohnbereich anwesend sein. »Das Geld dafür ist da«, betont Erdmeier. »Würde der Pflegevorsorgefonds genutzt, der bis 2035 als Sondervermögen bei der Bundesbank geparkt wird, könnten jährlich 40.000 zusätzliche Pflegekräfte zu tariflichen Bedingungen eingestellt werden«, rechnet er vor. Die neue Regierung müsse sofort handeln, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. »Bessere Bedingungen würden den Pflegeberuf attraktiver machen. So könnte der Fachkräftebedarf auch in Zukunft gesichert werden«, ist der Gewerkschafter überzeugt. Stattdessen die Fachkraftquote abzusenken – wie es private, gewinnorientierte Pflegeunternehmen fordern – sei hingegen nicht geeignet, eine gute Versorgungsqualität sicherzustellen. In Pflegeeinrichtungen müssen mindestens 50 Prozent Pflegefachkräfte beschäftigt sein. »Das muss so bleiben«, fordert Erdmeier.
Sowohl aus Sicht der Beschäftigten als auch der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen sei es wichtig, die 1995 nur als Teilkasko-Absicherung geschaffene Pflegeversicherung weiterzuentwickeln. »Eine Pflegevollversicherung, die das Pflegerisiko vollständig absichert, ist das Modell für die Zukunft«, so Erdmeier. Er verwies darauf, dass die Pflegevollversicherung einem Gutachten zufolge bereits mit einer Beitragssatzsteigerung von lediglich 1,0 Prozentpunkten finanziert werden könnte. Die jetzigen Zuzahlungen seien für viele Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen eine Überforderung, in den Einrichtungen verursachten sie einen hohen Kostendruck. »Über die Einführung einer Bürgerversicherung, die alle Einkommensarten einbezieht, könnten die erforderlichen Mehrausgaben solidarisch getragen werden«, argumentiert der Gewerkschafter.
Eine gute gesundheitliche und pflegerische Versorgung scheint im heutigen nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung auf Dauer nicht bezahlbar. Um zu einer gerechten und solidarisch finanzierten Gesundheitsversorgung zu kommen, spricht ver.di sich für eine Bürgerversicherung aus. Auf der Basis gleicher Vorschriften und Versicherungsbedingungen könne die Finanzierung der zukünftig erheblich steigenden Versorgungsbedarfe einschließlich erforderlicher Innovationen und Strukturveränderungen gesichert und eine verlässliche Versorgung auf hohem Niveau garantiert werden.
Pflegepolitik, Pflegeversicherung, Digitalisierung im Gesundheitswesen
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