Die Aufwertung der Pflegeberufe ist dringend erforderlich, dazu gehört auch eine attraktive Ausbildung mit guten Rahmenbedingungen. Die ver.di Bundesarbeitskreise Pflegelehrer/innen und Praxisanleiter/innen haben sich seit 2015 intensiv mit dem Pflegeberufereformgesetz befasst und nehmen zu den Ende März 2017 bekannt gewordenen Überlegungen eines möglichen Kompromissvorschlags Stellung. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass eine fachlich fundierte Weiterentwicklung der Pflegeberufe erfolgt, die vorrangig den Anforderungen an eine qualitativ hochwertige pflegerische Versorgung der Menschen gerecht wird. Die Ausbildungsqualität darf nicht verloren gehen. Die bisher bekannt gewordenen Überlegungen werden diesen Anforderungen aus den nachfolgenden Gründen nicht gerecht, sondern scheinen vielmehr motiviert, eine politische Lösung zu finden. Dies dient aber nicht den zukünftigen Auszubildenden.
Wir begrüßen, dass die Altenpflege und Kinderkrankenpflege erhalten und aufgewertet werden sollen. Zielführend wäre aus unserer Sicht die Einführung einer integrierten Ausbildung. Die bisherigen Kompromisslinien zielen dagegen mittelfristig eher darauf, eine generalistische Ausbildung einzuführen. Denn es stellt sich die Frage, ob es praktikabel ist, die Ausbildungen zunächst für einen Zeitraum von sechs Jahren neu zu strukturieren. Hiermit ist ein hoher organisatorischer Aufwand sowohl für die Schulen als auch für die Ausbildungsbetriebe verbunden, der zusätzlich mit der Ersetzung der Krankenpflegeausbildung durch eine generalistische Ausbildung einhergehen soll. Da nach sechs Jahren eine Evaluation angedacht ist, wird eine Unsicherheit erzeugt, ob die Ausbildungen in der Altenpflege und Kinderkrankenpflege langfristig erhalten bleiben. Aus Sicht der Auszubildenden könnte dies den Eindruck erwecken, dass es sich nicht um Berufe der Zukunft handelt, selbst wenn sie sich vorrangig für eine dieser Ausbildungen interessieren. Im Ergebnis könnte es zu einer Etablierung der generalistischen Pflegeausbildung kommen, zumal bei der Evaluation allein auf das Kriterium der Quantität abgestellt werden soll. Offen ist dabei weiterhin, wie die neue Ausbildung konkret ausgestaltet sein soll.
Es ist höchste Zeit, dass die Diskussion um die Weiterentwicklung der Pflegeberufe nicht entlang von Schlagwörtern, sondern anhand der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung der neuen Ausbildung geführt wird. Dazu muss der Entwurf der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung unverzüglich vorgelegt werden. Vor einer Neugestaltung der Ausbildung muss das Profil des Berufs eindeutig erkennbar sein. Die im März 2016 veröffentlichten Eckpunkte sind noch viel zu allgemein dafür.
Wir stehen für Durchlässigkeit in der Aus- und Weiterbildung. Mit der im Kompromissvorschlag angedachten Pflegeassistenz-Ausbildung werden allerdings vorrangig die Anliegen verfolgt, eine Anrechnung auf die Fachkraftquote zu erreichen und eine stärkere Hierarchisierung der Pflegeberufe voranzutreiben. Dies würde im Ergebnis nicht zu einer Aufwertung und zu einer Stärkung der professionellen Pflege beitragen. Im Gegenteil: Hier scheinen vor allem ökonomische Interessen der Arbeitgeber im Mittelpunkt zu stehen, die Ausbildung in Wettbewerb zu stellen und damit künftig günstigere Arbeitskräfte zu haben. Das lehnen wir entschieden ab. Wir brauchen eine bedarfsgerechte Anzahl gut qualifizierter Fachkräfte. Zudem besteht die Gefahr, dass mit einer Pflegeassistenz-Ausbildung die Motivation, alle Auszubildenden zu fördern, verringert wird.
Maßgeblich für uns ist die Gewährleistung eines ganzheitlichen Pflegeprozesses, in welchem sich die Qualität auch am individuell erfüllten Bedarf der Patient/innen bzw. pflegebedürftigen Menschen orientiert. Pflege ist Beziehungs- und Kommunikationsarbeit, eine stärkere Hierarchisierung pflegerischer Arbeit ist nicht zielführend. Mit der Einführung einer zweijährigen Pflegeassistenz-Ausbildung sehen wir auf lange Sicht die dreijährige Fachkraftausbildung gefährdet, zumal parallel eine hochschulische Erstausbildung etabliert werden soll.
Wir haben die große Befürchtung, dass infolge der Überlegungen eines möglichen Kompromisses die Schule als Träger der Ausbildung verankert wird. Das wäre ein Angriff auf die betriebliche Mitbestimmung. Aufgrund des hohen Praxisanteils in der Ausbildung müssen auch künftig die betrieblichen Interessenvertretungen mitreden und entscheiden können, wenn es um Fragen der Ausbildungsbedingungen geht. Eine Pflegeschule hat keine Durchsetzungsmöglichkeiten, um Probleme der im Betrieb stattfindenden praktischen Ausbildung – bspw. eine fehlende oder unzureichende Praxisanleitung – lösen zu können. Deshalb muss die vertragliche Bindung der Auszubildenden unbedingt mit den Betrieben und ausdrücklich nicht mit der Schule bestehen.
Die bisher angedachten möglichen Kompromisslinien werfen eine Vielzahl von Fragen auf, die dringend geklärt werden müssen. Aufgrund des hohen Bedarfs an Pflegefachkräften darf es nicht zu Einbrüchen bei den Ausbildungszahlen kommen. Die Weichen müssen von Beginn an richtig gestellt werden. Maßstab für die Weiterentwicklung der Pflegeberufe müssen die Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Versorgung sein.
Um die Attraktivität der Pflegeberufe zu steigern, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Nur so kann es gelingen, Fachkräfte langfristig im Beruf zu halten. Gute Pflege braucht mehr Zeit und mehr Personal, vor allem Fachkräfte. Denn die prekäre Personalsituation in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen bekommen bereits die Auszubildenden zu spüren. Deshalb ist eine gesetzliche Personalbemessung überfällig. Für eine gute praktische Ausbildung muss die Praxisanleitung nachhaltig gestärkt werden. Wir brauchen eine verbindliche, bundeseinheitliche Mindestvorgabe zum Umfang der geplanten und strukturierten Praxisanleitung von mind. 10 Prozent der praktischen Ausbildungszeit. Die Freistellung für die Zeit der Anleitung muss sichergestellt sein. Damit die Qualität der theoretischen Ausbildung sichergestellt wird, fordern wir ein verbindliches Verhältnis von hauptberuflichen Lehrkräften zu Auszubildenden von 1:15, wie es sich in einigen Bundesländern bereits bewährt hat. Die Ausbildung muss tatsächlich im Mittelpunkt stehen, es darf keine Anrechnung der Auszubildenden auf den Stellenplan geben.
Unabhängig vom Pflegeberufsgesetz muss die Altenpflegeausbildung sofort verbessert werden. In allen Bundesländern muss die Schulgeldfreiheit gegeben sein und Umlageverfahren eingeführt werden.
Walsrode, 31.03.2017
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