Kommentar von Sylvia Bühler, Bundesfachbereichsleiterin Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen und Mitglied im ver.di-Bundesvorstand
Der Streit um die künftige Pflegeausbildung hat sich verhärtet. Der seit Anfang 2016 vorliegende Entwurf für ein Pflegeberufsgesetz kommt nicht voran. Jetzt soll sich der Koalitionsausschuss der Regierungsparteien damit beschäftigen. Die Frage ist, was ein gangbarer Weg sein könnte.
Die Pflegeberufe haben eine Aufwertung verdient. Dazu gehört auch eine attraktive Ausbildung. Gut, dass der Reformbedarf erkannt ist. Es ist völlig inakzeptabel, dass in der Altenpflegeausbildung in einigen Bundesländern noch Schulgeld bezahlt werden muss und damit in einem Mangelberuf mit großer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Relevanz eine solche Ausbildungshürde existiert. Auch die Qualität der praktischen Ausbildung muss dringend verbessert werden. Die prekäre Personalsituation in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen bekommen auch die Auszubildenden zu spüren.
Bei einer Ausbildungsreform müssen die Weichen von Beginn an richtig gestellt werden. Einbrüche bei den Ausbildungszahlen darf es nicht geben. Der Gesetzentwurf hat einige positive Ansätze – wie die Schulgeldfreiheit oder Vorgaben zum Umfang der Praxisanleitung. In zentralen Punkten muss jedoch nachgesteuert werden. Unverzichtbar ist die umfassende Sicherung der betrieblichen Mitbestimmung, die Schlupflöcher müssen geschlossen werden.
Besonders kontrovers diskutiert wird die geplante generalistische Ausbildung. Aus den heute drei Berufen Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege soll einer werden. Vor allem die Altenpflege und Kinderkrankenpflege befürchten, dass das notwendige spezifische Wissen ihrer Berufe verloren geht. Schließlich macht es einen Unterschied, ob ein Kleinkind zu versorgen ist oder ein älterer Mensch mit einer demenziellen Erkrankung. Bei gleicher, dreijähriger Ausbildungszeit wie heute können unmöglich die Ausbildungsinhalte von drei Berufen in gleicher Tiefe und gleichem Umfang vermittelt werden.
Es ist zwar durchaus sinnvoll, die drei Ausbildungen näher zusammenführen. Zugleich müssen aber die jeweiligen Spezialisierungen erhalten bleiben. Das ver.di-Konzept der integrierten Ausbildung sieht bis zu zwei gemeinsame Jahre und eine Phase der Spezialisierung von mindestens einem Jahr vor.
Die Positionen zwischen Befürwortern und Gegnern der Generalistik scheinen verhärtet. Die integrierte Ausbildung wäre ein guter Kompromiss. Die Beratung der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung der neuen Ausbildung steht noch aus. Dafür fehlt schlicht die Grundlage. Der angekündigte Entwurf zur Ausbildungs- und Prüfungsverordnung wurde bis heute nicht vorgelegt. Die im März 2016 veröffentlichten Eckpunkte sind noch viel zu allgemein.
Wer die Pflegeberufe aufwerten will, muss die betriebliche Mitbestimmung umfassend sichern. Betriebs- und Personalräte und Jugend- und Auszubildendenvertretungen müssen auch künftig mitreden und entscheiden können, wenn es um Fragen der Ausbildungsbedingungen geht. Der Abschluss des Ausbildungsvertrags muss dem Betrieb vorbehalten bleiben. Doch nach dem Gesetzentwurf soll die Pflegeschule in bestimmten Fällen die Aufgaben des Trägers der praktischen Ausbildung wahrnehmen können. Das lehnt ver.di entschieden ab. Wir fordern, diese Regelung zu streichen.
Eine Pflegeschule hat keine Durchsetzungsmöglichkeiten, um Probleme der im Betrieb stattfindenden praktischen Ausbildung wie z.B. einer unzureichenden Praxisanleitung lösen zu können. Im Koalitionsvertrag steht, dass der »dualen Ausbildung mit Ausbildungsbetrieb und Schule […] zukünftig eine zentrale Bedeutung zukommen« werde. Das gilt es umzusetzen.
Mit dem Pflegeberufsgesetz soll ergänzend eine hochschulische Erstausbildung etabliert werden. Obwohl die Vorteile eines dualen Studiums hier klar auf der Hand liegen, soll offensichtlich aus Kostengründen jedoch für die Pflegeberufe wieder ein Sonderweg gegangen werden. Zum Nachteil der Studierenden: Obwohl für sie mindestens 2.300 Stunden Praxiseinsätze vorgesehen sind, haben sie – im Unterschied zu den Auszubildenden – weder einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung noch entsprechende Schutzrechte in der Praxis. Nicht einmal der Abschluss eines Praktikantenvertrags ist bisher vorgegeben. Für Studierende im Vergleich zur beruflichen Pflegeausbildung schlechtere Bedingungen vorzusehen, ist nicht gerecht.
Sicher ist, dass die neue Ausbildung – selbst wenn sie noch von dieser Regierung beschlossen werden sollte – nicht wie geplant im Januar 2018 starten wird. Deshalb muss unabhängig von der Ausbildungsreform unverzüglich in der Altenpflegeausbildung das Schulgeld flächendeckend abgeschafft und in allen Bundesländern Umlageverfahren eingeführt werden, damit alle Einrichtungen an den Ausbildungskosten beteiligt sind.
Gute Pflege braucht Zeit. Dafür braucht es ausreichend Personal. Eine gesetzliche Personalbemessung ist überfällig, denn längst ist klar, dass Markt und Wettbewerb die Personalnot nicht lösen werden. Und Pflege verdient eine bessere Bezahlung. Mindestens 3.000 Euro im Monat wären angemessen für diese verantwortungsvolle und psychisch und physisch anstrengende Arbeit. Vor allem in der Altenpflege verweigern sich aber die meisten Arbeitgeber einer Tarifbindung, mit dramatischen Folgen für die Beschäftigten.
Eine bessere Bezahlung kommt auch mit der Generalistik nicht automatisch. Deshalb macht sich ver.di für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Altenpflege stark. Der Wettbewerb um die niedrigsten Löhne muss endlich beendet werden.
Bereichsleiterin Berufspolitik/Jugend
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Dieser Artikel ist erschienen in der Zeitschrift "Soziale Sicherheit", Ausgabe 2/2017 www.sozialesicherheit.de