Studierende machen mit einer Aktion in Darmstadt auf ihre prekäre Lage aufmerksam und fordern eine BAföG-Reform.
In der Coronapandemie hat Sascha Küfner wie viele andere Studierende seinen Nebenjob bei einer Internetplattform verloren. „Wir Studierende waren die ersten, die gehen mussten“, berichtet der Darmstädter Soziologiestudent. BAföG erhält er nicht. Als er die Ausbildungsförderung hätte bekommen können, wohnte er noch bei seinen Eltern. Jetzt ist er über der Regelstudienzeit und hat keinen Anspruch mehr. Deshalb beantragte er die Corona-Überbrückungshilfe der Bundesregierung, die allerdings lange auf sich warten ließ. „Wenn es ein vernünftiges BAföG gäbe, wären solche Nothilfen nicht nötig“, meint der 25-Jährige. „Diese Krise zeigt, dass die Ausbildungsförderung grundlegend reformiert werden muss.“
Um dafür Druck zu machen und auf die prekäre Lage von Studierenden in der Pandemie hinzuweisen, haben die IG-Metall-Jugend, ver.di und andere Gruppen zu einer Protestaktion am 27. März in Darmstadt aufgerufen. „Bildung muss für alle zugänglich sein. Doch ob und wie man studieren kann, hängt immer stärker von der sozialen Herkunft ab“, kritisiert Anna-Lisa Reinhard, die an der TU Darmstadt auf Lehramt studiert. Die gelernte Krankenpflegerin arbeitet nebenher im Krankenhaus, um ihr Studium zu finanzieren. „Ob die prekäre Lage von Studierenden oder die katastrophale Personalnot in den Kliniken – die Pandemie hat überall deutlich gemacht, was schief läuft.“
Das meint auch Philipp Hotz, der an der Hochschule Darmstadt Gebäudesystemtechnik studiert. Er findet, dass BAföG viel mehr Studierenden zur Verfügung stehen sollte. Er selbst hat keinen Anspruch, weil seine Eltern einst eine private Rentenversicherung für ihn angelegt haben. Diese müsste er erst auflösen, um BAföG zu bekommen. „Das wäre ein absolutes Minusgeschäft. So etwas darf doch nicht die Bedingung für BAföG sein.“ Zudem plädiert der Student dafür, die Fördersätze und vor allem die Wohnpauschale deutlich anzuheben. Mit der Pauschale von aktuell höchstens 325 Euro könne man sich im Rhein-Main-Gebiet schlicht keine Wohnung leisten.
Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für Bildung und Wissenschaft zuständig ist, betont: „Eine grundlegende Reform des BAföG ist überfällig. Wenn nur noch elf Prozent der Studierenden finanziell gefördert werden, obwohl viel mehr einen Bedarf haben, erfüllt das Gesetz eindeutig nicht seinen Zweck.“ Davon ist auch Jan Leiße überzeugt, der in der ver.di-Bundesarbeitsgemeinschaft Studierende aktiv ist. Er fordert unter anderem, dass die Altersgrenze von 30 Jahren – im Masterstudium sind es 35 Jahre – abgeschafft und die Förderhöchstdauer ausgeweitet wird. Nur etwa jede*r dritte Studierende werde in der Regelstudienzeit fertig. „Die Beschränkung darauf muss daher mindestens aufgeweicht werden. Außerdem sollte politisches und soziales Engagement berücksichtigt werden“, fordert der Berliner Politikstudent. „Denn ein Studium ist mehr als eine formale Qualifikation.“
Für diese Forderungen engagiert er sich auch beim vom freien Zusammenschluss von Student*innenschaften (fzs) initiierten BAföG-Bündnis, in dem sich Studierendenvertretungen, Gewerkschaften und politische Jugendorganisationen zusammengeschlossen haben. „In der Pandemie sind die Studierenden vom politischen Radar weitgehend verschwunden“, stellt Jan Leiße fest. „Das wollen wir wieder ändern und die dringend nötigen BAföG-Reformen im Vorfeld der Bundestagswahl zum Thema machen.“
Daniel Behruzi
BAföG-Positionspapier der DGB-Gewerkschaften: https://kurzelinks.de/e7eg
veröffentlicht am 27. Juli 2021