Runter mit der Arbeitszeit: Dieses Ziel setzt der neue Frauenvorstand im ver.di-Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft ganz oben auf die Agenda. „Wir wollen uns aktiv in die aktuelle Debatte über die Arbeitszeitverkürzung einbringen“, kündigt die Vorsitzende Andrea Hopfner an. „Und dabei vor allem die Perspektive von Frauen betonen.“ Im Mittelpunkt steht die Forderung nach einer kurzen Vollzeit für alle – ohne Abstriche bei Lohn oder Personal. Dadurch würden vor allem Frauen gestärkt, sagt die Gewerkschafterin. „Bis jetzt fällt die Carearbeit völlig hinten runter.“ Wer kümmert sich um kleine Kinder oder pflegt Angehörige? Eine kürzere Arbeitszeit bietet die Chance, diese Aufgaben gerechter zu verteilen. So könnten alle Beruf und Privatleben besser vereinbaren. Im Aktionsplan des Frauenvorstands ist die Frage der Arbeitszeit ganz oben angesiedelt. Eine Idee ist, eine Fachtagung zu veranstalten. „Wir Frauen müssen bei dem Thema viel lauter werden.“
Insgesamt werde viel zu wenig Wert gelegt, dass sich die Arbeitszeiten mit der Familie vereinbaren ließen, kritisiert die Lehrkraft für Pflegeberufe am Klinikum in Ingolstadt. So beginne in Krankenhäusern die Frühschicht häufig um 6 Uhr, „völlig egal, ob die Kita erst um 8 Uhr öffnet.“ Bei der Arbeitszeit spielten auch Befristungen und Teilzeit eine große Rolle. Die meisten Frauen arbeiteten nicht in Vollzeit, weil sie noch Kinder oder Eltern zu versorgen hätten. Da fehlt es oft an staatlicher Unterstützung. Zudem legten die Arbeitgeber häufig auch gar keinen Wert darauf, mehr Frauen in Vollzeit zu beschäftigten. „Vielen ist lieber, mehr Hände zur Verfügung haben.“ Die Gewerkschafterin gibt zu bedenken, dass die Führungsposten zu 80 Prozent von Männern besetzt seien – obwohl im Gesundheits- und Sozialwesen die Frauen mit 80 Prozent die ganz große Mehrheit der Beschäftigten stellten.
Erklärtes Ziel sei, dass Frauen und Männer die Sorgearbeit gerecht teilten, betont Andrea Hopfner. Doch die Realität sei weit davon entfernt. Das zeigten Studien. Auch die Coronapandemie habe stark dazu beigetragen habe, alte Familienmodelle zu festigen: Viele Frauen blieben zu Hause, kümmerten sich um die Kinder, während die Männer zur Arbeit gingen. „Die Gleichwertigkeit wurde deutlich zurückgedrängt.“
Ein weiteres Problem: Wer in klassischen Frauenberufen wie im Gesundheits- und Sozialwesen arbeitet, verdient – vor allem in Betrieben ohne Tarifvertrag – viel zu wenig Geld. „Wer da in Teilzeit arbeitet, alleinerziehend ist und Kinder zu versorgen hat, kommt überhaupt nicht über die Runden“, gibt Andrea Hopfner zu bedenken. Die meisten Reinigungskräfte benötigten einen zweiten Job, putzten nach ihrer Arbeit im Krankenhaus noch anderswo. „Weil das Geld sonst gar nicht zum Leben reicht.“ Deshalb macht sich der Frauenvorstand auch dafür stark, dass der große Wert der Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen stärker in den Fokus rückt.
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